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  Noelle & Lea
 

 

„Lea, hat es gerade gedonnert?“, fragte Noelle sorgenvoll zum Himmel blickend. „Blödsinn, das hast du dir eingebildet“, antwortete Lea ruhig. „Bist du dir sicher?“ „Ja, keine Angst!“ „Ich habe keine Angst. Ich will nur nicht, dass wir völlig durchnässt ankommen, das ist alles. Guck nicht so, das ist wirklich alles, Lea!“ „Whatever, lass uns weiterfahren, wir kriegen ja wohl mit, wenn's gewittert!“ Noelle schaute noch einmal sorgenvoll zum Himmel und stieg dann wieder auf ihr Fahrrad. Lea war schon vorausgefahren und Noelle beeilte sich sie einzuholen. Sie war schjon zwischen den Bäumen verschwunden und Noelle rief: „Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du nicht so weit voraus fahren sollst?“ „Man jaha, ich bin kein Kleinkind mehr!“ „Oh ja, das war gerade sehr erwachsen...“ „Mein Gott, ich bin doch nicht aus der Welt, du kannst mich ja wohl rufen oder bist du zu fein dafür?“ „Lea, es reicht jetzt!“ „Ach am Besten bin ich jetzt auch noch Schuld oder was?“ „Schluss jetzt, ich werde mich nicht streiten. Ich habe mich bereit erklärt mit dir diese Tpur zu machen, weil ich mich auf ein wenig Abstand von dem ganzen Trubel gefreut hatte, also hören wir jetzt auf oder was ist?“, erzürnte sich Noelle. „Ja, okay tut mir leid.“ „Tu's einfach nicht wieder, wir sollten uns nicht verlieren...“ „Ich hab's verstanden, diesmal wirklich!“, gab Lea kleinlaut bei. Plötzlich erhellte ein Blitz die Lichtung, ein lauter Donnerschlag ertönte sogleich. Noelle erstarrte zu einer Salzsäule, ihre Augen weiteten sich. „Was ist denn jetzt schon wieder?“, fragte Lea mit den Augen rollend. Noelle wurde blass. Leichenlass. „Noelle, ist alles in Ordnung?“ „Wir sollten uns besser schnell was suchen. Lauter hohe Bäume. Lass uns einfach hier verschwinden.“ Noelle stieg demonstrativ auf's Fahrrad und schaute Lea auffordernd an. Wenn diese auch sonst bnicht sonderlich viel vom „Taktgefühl“ verstand, spürte diese doch ganz deutlich, dass sie weder nachfragen noch widersprechen sollte- also stieg auch sie auf's Fahrrad. Noelle fuhr voraus und zwar mit einer solchen Geschwindigkeit, dass Lea kaum hinterherkam. Der Regen nahm stetig zu, doch davon bekamen sie dank des dichten Blätterdachs wenig mit. Nach wenigen Minuten wiesen die beiden Mädchen zahlreiche Kratzer auf. Hätte Noelle nicht eine solch abweisend Ausstrahlung gehabt und wäre es nicht so laut gewesen, hätte Lea sicher schon längst Einwand erhoben. Eiskalter Schweiß trat auf Noelles Stirn, der jedoch nichts mit ihren Anstrengungen zu tun hatte. Endlich durchbrachen sie die dicke Wand des Waldes. Doch mit dem Wald ließen sie auch seine Schutz vor dem Regen hinter sich. Innerhalb von Sekunden waren sie bis auf die Haut durchnässt. Im Gegensatz zu Noelle wusste Lea nicht, wohin sie fuhren. Sie konnte ja nicht ahnen, dass Noellevon einem Bauernhof gehört hatte und ungefähr wusste, wo er lag. Das Waisenhaus hatte einen Ausflug dorthin geplant. Doch in Noelle stiegen langsam Zweifel auf und auch ihre unterdrückte Panik nahm von Zeit zu Zeit zu. Nebel stieg auf und Unsicherheit mit ihm. Doch sie war unbegründet, denn schon bald tauchte ein Schild auf, auf dem „Bruno“ stand und mit ihm der Bauernhof. Wenn ihr nun aber glaubt, Noelle würde ihr Tempo drosseln, irrt ihr euch. Sie stoppte erst kurz vor der Tür. Als Lea endlich absteigen konnte, musste sie sich schwer zusammenreißen sich nicht fallen zu lassen. Noelle betätigte mit zitternden Händen die Klingel. „Lilian, Stina! Na end-“, ertönte eine herzliche Stimme. „Nein, ihr seid nicht Liulian und Stina“, die Stimme gehörte zu einer hübschen Frau mit freundlichem Gesicht. Sie machte einen Schritt zur Seite und bat Lea und Noelle hinein. „Was habt ihr denn bei dem Unwetter draußen gemacht, hm?“ „Eine Fahrradtour. Wir kommen aus dem Waisenhaus aus dem Dorf. Na jedenfalls fing es plötzlich an zu gewittern und meiner Freundin bereiten Gewitter, glaub ich, ein wenig Unbehagen. Ich bezweifle, dass sie es bis ins Dorf geschafft hätte.“ Mittlerweile waren sie in der Küche angelangt, wo die nette Frau, die, wie sich herausstellte, Sabine hieß, einen Tee aufbrühte. Noelle stand geistesabwesend am Fenster und als Sabine ihr einen Blick zuwarf, antwortete sie Lea: „Nein, so sieht sie in der Tat nicht aus.“ Sie nahm zwei große selbstgetöpferte Tassen aus einem Schrank und goss heißes Wasser über die frischen Pfefferminzblätter. Eine Tasse reichte sie Lea und mit der anderen ging sie zu Noelle. „Hier mein Kind, trink das. Danach gehst du schön heiß duschen, ich gebe dir Kleider von meiner Tochter.“ „Danke!“, kam die Antwort. Lea hatte sich schon wieder halbwegs erholt. Sie hoffte, dass Noelle nach der Dusch wieder normal sein würde. In ihrem momentanen Zustand machte Noelle Lea Angst. Sie würde nur zu gern wissen, was mit ihr los war. Noelle ließ sich das Bad zeigen und Kleider geben. Langsam zog sie sich aus. Der Regen trommelte gegen die Fenster. Sie stand unter der Dusche und war so in Gedanken ersunken, dass sie nicht einmal merkte, wie ihre Haut sich immer mehr rötete. Als Noelle ihre heiße Dusche beendete, zog sie sich die Sachen von Sabines Tochter über. Ein bisschen weit, doch das war egal. Für den Moment war Noelle alles egal. Es gewitterte noch immer. Sie hasste Gewtter, da kamen nur unschöne Erinnerungen hoch. Erinerrungen, die sie fest weggeschlossen hatte. Sie atmete noch ein paar Mal tief durch und ging dann -endlich aufgewärmt- in die Küche. „Man na endlich. Mittlerweile bin ich schon wieder fast trocken. Eine Stunde hast du geduscht, Noelle! Eine Stunde!“, doch als Lea Noelle anschaute, verstummte sie. „Ich geh dann mal duschen.“ Verwundert schaute Noelle Lea hinterher. „Komm Liebes, setz dich. Ich werd mal den Erste-Hilfe-Kasten holen und dich dann zusammenflicken, hm?“ Sabine wuselte aus der Küche hinaus und Noelle nutze die Gelegenheit, sich in einem Spiegel zu betrachten. Sie trug eine kurzärmelige Bluse, ihre Arme waren ganz zerkratzt und ihre Haut war noch immer gerötet. Auf ihrer linken Wange prangte ein lang gezogener Schnitt. Kurzum, sie sah schrecklich aus. Zuvor waren ihre kleinen und großen Schrammen kaum aufgefallen, denn ihr Gesicht war -vor der Dusche wohlgemerkt- ein wenig verdreckt. Sabine kehrte mit dem Ersten-Hilfe-Kasten zurück und bat Noelle sich zu setzen. Während Sabine medizinischen Alkohol und einen Tupfer sowie Salbe auspackte, betrat Bruno, Sabines Mann, die Küche. Er reichte ihr die Hand und stellte sich vor. „Danke, dass wir hierbleiben können“, sagte Noelle mit einem zaghaften Lächeln. Da ertönte ein Donner und Noelle zuckte zusammen. Bruno tat, als hätte er nichts bemerkt. „Gäste sind hier immer willkommen. Und nun lass dich von meiner Frau verarzten“, erwiderte er lächelnd. Noelle setzte sich auf einen Stuhl und während Sabine auf sie einredete, versank sie immer tiefer in ihren Gedanken. Sie musste an jenen Tag denken, an den Tag, als sie zur Vollwaise wurde, an den Tag, als sie erwachsen werden musste und letzten Endes eben an den Tag als sie jenes mysteriöse Geschenk bekam. Ja, all das geschah an ihrem 10. Geburtstag... Sie war so tief in ihre Gedanken versunken, dass sie diesen stechenden Schmerz nicht einmal ansatzweise spürte, als Sabine die Wunden mit dem Alkohol desinfizierte. „Möchtest du nochtwas Tee oder Kakao?“, holte Sabine Noelle aus ihren Gedanken. „Einen Kakao bitte...“ Sabine holte eine Tasse aus dem Schrank, stellte einen kleinen Topf auf den Herd und rührte in die frische Milch Kakao ein. „Geht es dir besser?“, fragte sie. „Ja, danke der Nachfrage“, erwiderte Noelle und spielte an ihrem Medaillon herum. „Oh, was ist das dnn für ein hübsches Medaillon, hast du Bilder darin?“ Resigniert steckte Noelle es wieder unter ihre Bluse. „Das geht Sie nichts an!“, sagte Noelle frostig. Bilder schossen vor ihrem inneren Auge vorbei, doch sie drängte sie zurück, während Sabine sich entschuldite. Wieder musste sie an jenen Tag denken.

 
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